Für den Übergang in die Sekundarstufe I ist beabsichtigt, das Probejahr von einem Jahr abzuschaffen. Stattdessen soll für Schüler*innen, die einen Notendurchschnitt von höher als 2,3 haben, gelten, sich in einem Probeunterricht zu beweisen.
Im benachbarten Land Brandenburg gibt es die Regelung des Probeunterrichts bereits.
In diesem Blogbeitrag möchte ich meine aktuellen Gedanken und mögliche juristische Herausforderungen mit Ihnen teilen.
Meiner Ansicht nach ist es ein gewaltiger Unterschied, ob Schüler*innen ein Jahr oder einen Tag zur Verfügung stehen haben, um sich zu beweisen.
Nicht außer Acht zu lassen ist, dass die sechsjährige Grundschulzeit bereits diente, um nachzuweisen, ob man den gesteigerten Anforderungen an einem Gymnasium gerecht werden kann.
Ein Probeunterricht ist nach meiner Rechtsauffassung als Eignungsprüfung zu verstehen, denn das Ergebnis des Unterrichts soll darüber entscheiden, ob die Eignung für den Besuch eines Gymnasiums angenommen werden kann (sog. Zugangshürde). Nur dann darf man im weiteren Prozess der Vergabe der Schulplätze berücksichtigt werden (sog. Zulassungshürde).
Die Situation ist nach meinem Rechtsempfinden ebenso zu bewerten, wie die Aufnahme im Rahmen eines Sprachtests an den Staatlichen-Europa-Schulen oder im Rahmen der Schulen, die einen Eignungstest/ Auswahlgespräch voraussetzen.
In Bezug auf diese Schulen haben das Verwaltungsgericht Berlin und das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bereits entschieden, dass diese „Prüfungen“ prüfungsrechtlichen Charakter haben und mithin auch prüfungsrechtliche Grundsätze (teilweise) anzuwenden sind. Ein elementarer Grundsatz ist, dass es einen einheitlich vorab festgelegten Erwartungshorizont gibt, um den Grundsatz der Chancengleichheit zu gewährleisten.
Wie dies im Rahmen eines Probeunterrichts erfolgen soll, vermag ich nicht zu äußern. Es wird jedoch sicherlich eine Herausforderung werden, denn ein Unterricht zeichnet sich durch das Lehren, Prüfen und Miteinander im Klassenverbund aus. Im Unterricht steht grundsätzlich kein einzelner Schüler/einzelne Schülerin im Fokus. Auch müssten nach meinem Rechtsempfinden alle Bewerber*innen dieselben Aufgaben gestellt bekommen. Bei der Anzahl der möglichen potentiellen Bewerber*innen erscheint die Umsetzung dessen problematisch, denn es können bei Weitem nicht alle Bewerber gleichzeitig am Probeunterricht teilnehmen und eine „Wiederholung des Unterrichts“ ist für die regulären Schüler*innen unzumutbar und verbietet sich zudem aufgrund des Grundsatz der Chancengleichheit, denn die Kenntnisse aus dem Probeunterricht könnten im Nachgang an noch offenen Bewerber kommuniziert werden.
Ich bin gespannt, was diesbezüglich noch auf uns zukommt und bin gerne für Sie da, sollten Sie diesbezüglich eines Tages rechtlichen Beistand benötigen.
Ihre Rechtsanwältin
Lea Comans